Arbeitseinsatz auf deutschen Soldatenfriedhöfen 1959/60.
Contribution by Horst W. Laumanns.
"Ihr Lieben! Hoffentlich geht es Euch noch gut!? Heute waren wir zum ersten Male auf dem Friedhof. Er sieht ganz verlassen, öde und tot aus. Die Arbeit ist nicht so schwer wie im vergangenen Jahr. Es hat am Sonntagmorgen, vergangenen Nacht und heute ein bißchen geregnet. Aber sonst ist das Wetter gut. Am Sonntag waren wir in Arras. Wir sind mit dem Bus gefahren. Schön Stadt. Nur 8 km Weg. Viele Grüße von Euren Horst." [Neuville St Vaast 12-7-1960]
1941 geboren, sind meine Eltern im Zweiten Weltkrieg ums Leben gekommen. Als Kriegswaise seit Juni 1945 in der Familie einer Schwester meiner Mutter aufgewachsen, waren mir als Kind die Kriegsereignisse stets sehr nahe.
Da mein Vater in einem Lazarett in Deutschland an den Folgen seiner Verwundung verstorben war, gelangte sein militärischer Nachlass (Wehrpass, Orden, Ehrenzeichen) in den Besitz meiner Mutter und später in meine Hände. So konnte es nicht ausbleiben, dass ich als Kind diesen Mann wie einen Helden verehrte und es hat einige Zeit gedauert, bis mir das traurige Schicksal meiner Eltern bewusst wurde. Bis ich erkannte, dass ein verbrecherisches Regime dieses Paar um sein Glück und um sein Leben betrogen hatte…
Heute zurückblickend kann ich nur vermuten, dass ich durch dieses Schicksal irgendwie auf den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge aufmerksam wurde. Im Sommer 1959 verbrachte ich meinen Urlaub auf einem Soldatenfriedhof mit Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg in einem Dorf in der Nähe der lothringischen Stadt Toul. Es war ein bedrückendes Erlebnis. Das riesige Gräberfeld war - 14 Jahre nach Kriegsende - von Unkraut überwuchert und ich erinnere, dass während meines Aufenthaltes dort eines Tages in Begleitung des Bürgermeisters eine deutsche Frau erschien, um das Grab ihres Sohnes zu besuchen. Erst nach umständlichen Vermessungsarbeiten mit Bandmaß und Zollstock deutete der Bürgermeister schließlich auf ein Stück wüste Erde und erklärte dieser Frau, dort ruhe ihr Sohn. Das entsetzte Gesicht dieser Mutter und ihr herzzerreißendes Weinen werde ich nie vergessen…
Ebenso erging es einem Geschwisterpaar aus meiner Arbeitsgruppe. Auch ihnen hatte der Bürgermeister das "Grab" ihres Vaters ausgemessen…
Das Jugendlager des Volksbundes bei Toul stand unter dem Motto "Versöhnung über den Gräbern" und es war damals ein ganz besonderes Erlebnis, dass dort nicht nur deutsche Jugendliche, sondern auch Spanier und sogar Franzosen freiwillig arbeiteten und ihren Urlaub opferten.
Nach "Toul" konnte es wohl nicht ausbleiben, dass ich mich für den Sommer 1960 zum Einsatz auf dem deutschen Soldatenfriedhof des Ersten Weltkrieges Maison Blanche bei dem heißumkämpften Dorf Neuville St. Vaast (nahe Arras) meldete.
In Neuville St. Vaast lebten wir in 10-Mann-Zelten der deutschen Bundeswehr am Dorfrand auf einer Wiese. Für unser leibliches Wohl sorgten fürsorglich einige deutsche Frauen. Wir waren rund 100 Personen – ausschließlich Deutsche. Unsere Aufgabe war, zwischen den endlosen Gräberreihen den grauen Kreidestein abzutragen und "Mutterboden" einzufüllen. Auch dieser Friedhof war trostlos - aber es gab - dank der Tätigkeit der Volksbundes zwischen den Weltkriegen - wenigstens Kreuze. Kreuze, die gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages für die Besiegten schwarz und schmucklos sein mussten. Auch dieser Friedhof ein Stück deutsche Geschichte. Ich erinnere, dass auf einem Grab eine Steinplatte lag mit dem Schriftzug: "Lieber Vater, ich bringe Grüße aus der Heimat. Dein Sohn. Juni 1941".
Jede Jugendgruppe arbeitete zwei Wochen und machte dann Urlaub in Form einer einwöchigen Bustour durch Ostfrankreich und Flandern. Dabei lernten wir die blutigen Schauplätze des Ersten Weltkrieges, aber auch die Schönheiten Flanderns kennen…
Horst W. Laumanns [13. Aug. 2009]
"Bild 1. Das deutsche Friedhof Maison Blanche." Horst W. Laumanns © All rights reserved.
"Bild 2. Erläuterung zur Arbeit." Horst W. Laumanns © All rights reserved.
"Bild 3. [Horst W. Laumanns]" Horst W. Laumanns © All rights reserved.
Wenn Sie Kontakt zu Herrn Horst W. Laumanns aufnehmen möchten, wenden Sie sich bitte an nils.fabiansson@gmail.com.
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Volksbund: [...] Endgültige Gestaltung Nach Abschluß des deutsch-französischen Kriegsgräberabkommens vom 19. Juli 1966 konnte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. - finanziell unterstützt von der Bundesregierung - die endgültige Gestaltung der deutschen Soldatenfriedhöfe des Ersten Weltkrieges in Frankreich vornehmen. Mit einer französischen Sondergenehmigung hatten bereits in den Jahren 1959-1961 die Teilnehmer des internationalen Jugendlager des Volksbundes, die durch Niederschläge zwischen die Kreide in den Unterboden geschwemmten Reste des Mutterbodens in Handarbeit wieder an die Oberfläche gebracht und durch Raseneinsaat befestigt. Die Gemeinde Neuville-St. Vaast stiftete zum Abschluß dieser Arbeiten ein Holzkreuz mit der Inschrift "Paix aux Hommes de Bonne Volonté" (Den Menschen, die guten Willens sind). Es wurde unter großer Beteiligung der Bevölkerung auf dem Mittelweg etwa dort, wo sich das heutige Hochkreuz befindet, aufgestellt (Eine Nachbildung befindet sich an der Außenmauer des neuen Eingangsgebäudes). Ab 1974 begannen landschaftsbauliche Arbeiten, wie die Erneuerung und Ergänzung von Bäumen und Sträuchern. Parallel dazu versetzten Soldaten der Bundeswehr und Teilnehmer an Volksbundjugendlagern in vierjährigem Einsatz annähernd 10 000 schwere Betonsockel, die für die neuen Kreuze gebraucht wurden. Den Transport der jeweils etwa 35 Kilogramm schweren Sockel zum Friedhof übernahm die Bundeswehr. Es folgte der Austausch der provisorischen Holzgrabzeichen gegen Kreuze aus Metall mit eingegossenen Namen und Daten der hier Ruhenden. [...]
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"Die Gemeinde Neuville-St. Vaast stiftete zum Abschluß dieser Arbeiten ein Holzkreuz mit der Inschrift 'Paix aux Hommes de Bonne Volonté' ('Den Menschen, die guten Willens sind')." Neuville-St.-Vaast Soldatenfriedhof, 1971
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. © All rights reserved.
Neuville-St.-Vaast Soldatenfriedhof, 1975
Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. © All rights reserved.
Neuville-St.-Vaast Soldatenfriedhof, 1975
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Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V.
"Workcamps in Frankreich und Deutschland/Chantiers d'été en France et en Allemagne", download (pdf).